In allen Regionen und Städten der Europäischen Union wird Kultur von Einwohnern und Besuchern gleichermaßen hoch geschätzt. Zudem ist die Kultur- und Kreativwirtschaft von entscheidender Bedeutung für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität einer Region, während das Kulturerbe wichtig für das Image und die Identität von Städten und Regionen ist und häufig im Mittelpunkt des Stadttourismus steht.
In der neuen europäischen Agenda für Kultur der Europäischen Kommission von 2018 wird anerkannt, dass die Städte und Regionen in der gesamten EU an vorderster Front kulturgetriebener Innovation stehen und sich als natürliche Partner für Experimente, die Vorhersage von Trends und die Erprobung von Modellen sozialer und wirtschaftlicher Innovation anbieten.
Letzteres wird auch im Arbeitsplan für Kultur 2019-2022 des Rates der Europäischen Union hervorgehoben. Darin wird auch betont, dass die Mitgliedstaaten ein besonderes Augenmerk auf die Rolle der Kultur auf lokaler Ebene sowie auf die Qualität der Architektur und des Lebensumfelds legen sollten.
Auch umfasst der Europäische Aktionsrahmen für das Kulturerbe eine Reihe spezifischer Maßnahmen, die für Städte und Regionen relevant sind. Die vorgeschlagenen europäischen Initiativen konzentrieren sich insbesondere auf die Wiederbelebung von Städten und Regionen durch das Kulturerbe, die Förderung der adaptiven Wiederverwendung kulturhistorischer Gebäude sowie die Schaffung eines Gleichgewichts zwischen dem Zugang zum Kulturerbe und nachhaltigem Kulturtourismus und Naturerbe.
Förderung der Kultur auf lokaler Ebene
Der Europäischen Kommission kommen in diesem Zusammenhang drei wichtige Aufgaben zu:
- finanzielle Unterstützung der lokalen und regionalen Behörden;
- Sensibilisierung für das Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft für die regionale und lokale Entwicklung;
- Unterstützung der lokalen und regionalen Behörden bei der Formulierung integrierter Strategien.
Fördermittel für Regionen und Städte werden über verschiedene EU-Programme bereitgestellt, die unter anderem die Unterstützung der Kultur in der regionalen Entwicklung bezwecken. Die Europäische Kommission arbeitet des Weiteren mit nationalen, regionalen und städtischen Behörden sowie zuständigen internationalen Organisationen zusammen, um bewährte Verfahren in den Bereichen Kultur und regionale Entwicklung auszutauschen.
EU-Förderung für Kultur in Städten und Regionen
Die finanzielle Unterstützung erfolgt in erster Linie über die europäischen Struktur- und Investitionsfonds, zu denen folgende Fonds gehören:
- Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE);
- Europäischer Sozialfonds (ESF);
- Kohäsionsfonds;
- Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER);
- Europäischer Meeres- und Fischereifonds (EMFF).
Der Kultur- und Kreativsektor muss in regionale und lokale Entwicklungsstrategien integriert werden, um traditionelle Kulturgüter und das Kulturerbe zu fördern, die Entwicklung kreativer Unternehmen anzukurbeln, Investitionen in Infrastruktur und Humankapital zu unterstützen und Spill-over-Effekte auf die breitere lokale Wirtschaft zu erzeugen. Dies steht im Einklang mit dem Grundsatz der regionalen wirtschaftlichen Entwicklung der Strategien für intelligente Spezialisierung (S3), wobei besondere Stärken und Potenziale als Grundlage für Investitionen ermittelt werden.
Im Rahmen der europäischen Struktur- und Investitionsfonds, insbesondere des EFRE, haben rund 100 europäische Regionen die Kultur- und Kreativwirtschaft und/oder das Kulturerbe in ihre Forschungs- und Innovationsstrategien für intelligente Spezialisierung aufgenommen, und zwar sowohl innerhalb der regionalen als auch der nationalen S3-Prioritäten für den Zeitraum 2014-2020.
Innerhalb von Interreg, einem der wichtigsten Instrumente der EU zur Unterstützung der grenzübergreifenden regionalen Zusammenarbeit im Wege von Projekten, die aus dem EFRE kofinanziert werden, ist Kultur eines der beliebtesten Themen. Zwischen 2014 und 2020 wurden im Rahmen von Interreg mehr als 4000 Projekte und mehr als 1 Mrd. EUR für die Bereiche Kulturerbe und Kunst bereitgestellt.
Einschlägige Beispiele für kulturbezogene Interreg-Projekte aus jüngster Zeit finden sich zum Beispiel in der Online-Publikation „Kulturen verbinden, Bürger verbinden“, die von Interact anlässlich des Europäischen Jahres des Kulturerbes 2018 herausgegeben wurde.
Zusammenarbeit auf EU-Ebene bei der Gestaltung der lokalen Kulturpolitik
Die Europäische Kommission arbeitet, unter anderem im Rahmen der offenen Methode der Koordinierung, mit den Mitgliedstaaten an Themen zusammen, die für Städte und Regionen relevant sind. Die behandelten Themen umfassten unter anderem die Rolle der öffentlichen Politik bei der Entwicklung des Unternehmens- und Innovationspotenzials des Kultur- und Kreativsektors sowie den strategischen Einsatz von EU-Förderprogrammen für Kultur.
Im Rahmen des Programms „Kulturhauptstädte Europas“, eine eigenständige Initiative als Teil der kulturellen Maßnahmen der EU, das 1985 eingerichtet wurde, heben die Städte den Reichtum europäischer Kulturen hervor und geben den Bürger/innen Europas die Möglichkeit, ihre Vielfalt gemeinsam zu feiern, während die Kultur erfolgreich in langfristige Entwicklungspläne integriert wird.
Die Rolle der Kultur für die lokale Entwicklung wurde auch auf dem Europäischen Kulturforum, einer renommierten Veranstaltung der Europäischen Kommission zur Stärkung des Profils der europaweiten kulturellen Zusammenarbeit, und im Rahmen des von der Europäischen Kommission geführten strukturierten Dialogs mit dem Kultursektor „Voices of Culture“ thematisiert. Im Jahr 2020 wurde eine „Voices of Culture“-Gruppe zum Thema „Die Rolle der Kultur in nichtstädtischen Gebieten der Europäischen Union“ einberufen. 35 Organisationen aus ganz Europa befassten sich dabei mit der Frage, was die EU tun kann, um die Kultur in stadtnahen Gebieten (Gebieten außerhalb der Stadtzentren), Vororten und Stadtrandgebieten zu fördern.
Im Rahmen der EU-Städteagenda, einer neuen mehrstufigen Arbeitsmethode zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten, Städten, der Europäischen Kommission und anderen Interessenträgern, wurde 2018 eine neue Partnerschaft zum Thema Kultur und Kulturerbe ins Leben gerufen. An diesem Prozess sind derzeit mehr als 30 Partner beteiligt.
Unterstützung von Städten, Regionen und lokalen Interessenträgern beim gegenseitigen Lernen
Die Europäische Kommission arbeitet mit lokalen und regionalen Behörden sowie lokalen Kulturakteuren zusammen und fördert dabei das Peer-Learning und den Austausch bewährter Verfahren.
Im Zeitraum 2015-2017 wurden im Rahmen des Peer-Learning-Projekts „Kultur für Städte und Regionen“, das über das Programm Kreatives Europa finanziert wurde, ausgewählte bestehende kulturelle Initiativen und ihre Auswirkungen auf die lokale und regionale Entwicklung untersucht. Zu den Ergebnissen dieses Projekts zählten ein Katalog mit 70 Fallstudien, Studienbesuche in 15 Städten/Regionen und Experten-Coaching für 10 Städte/Regionen.
Im Zeitraum 2016-2018 wurde das Projekt „Netzwerk europäischer Kreativzentren“ durchgeführt, das über das Programm Kreatives Europa kofinanziert wurde und mehr als 200 über europäische Städte verstreute Plattformen oder Arbeitsstätten im Kultur- und Kreativsektor zusammenbrachte, um deren Austausch zu fördern, die Zusammenarbeit zu stärken und den Kapazitätsaufbau zu erleichtern.
Mit dem Projekt „Kulturelle und kreative Räume und Städte“, das von 2018 bis 2021 durchgeführt und über das Programm Kreatives Europa kofinanziert wird, sollen neue Möglichkeiten für Städte und Regionen entwickelt werden, die öffentliche Verwaltung und den Kultursektor zwecks gemeinsamer Gestaltung öffentlicher Maßnahmen zusammenzubringen. Ziel des Projekts ist es, zu zeigen, dass Kultur und gemeinsame Verfahren Stadtviertel und Städte in nachhaltigere Orte verwandeln und damit ein besseres Leben für die jeweiligen Gemeinden ermöglichen können.
Im Jahr 2020 rief die Europäische Kommission das Programm „Kulturerbe in Aktion“ ins Leben, ein Peer-Learning-Programm für lokale und regionale Entscheidungsträger zum Austausch von Wissen über das Kulturerbe. In einem Online-Katalog sollen 30 Initiativen vorgestellt werden, und es werden 12 Peer-Learning-Besuche mit jeweils mehr als 20 Teilnehmern stattfinden. Die Initiative ist Teil der Maßnahmen gemäß dem Europäischen Aktionsrahmen für das Kulturerbe.
Unterstützung bei der Bereitstellung von Daten und Analysen zum Thema Kultur für Städte und Regionen
Von der Europäischen Kommission geförderte Initiativen können Unterstützung bei der Datenerhebung und der Messung der Auswirkungen der Kultur auf lokaler Ebene bieten.
Im Jahr 2017 brachte die Gemeinsame Forschungsstelle die erste Ausgabe ihres Städtevergleichs „Kultur und Kreativität“ heraus, der zeigen soll, wie gut 168 ausgewählte Städte in 30 europäischen Ländern bei einer Reihe von Maßnahmen zur Beschreibung ihrer kulturellen Dynamik und Kreativwirtschaft abschneiden. Der Städtevergleich wurde 2019 weiter aktualisiert.
Seit 2019 arbeitet die Europäische Kommission mit dem Zentrum der OECD für Unternehmertum, KMU, Regionen und Städte an dem gemeinsamen Projekt für Regionen „Kultur- und Kreativsektor und lokale Entwicklung“. Dieses Projekt ist Teil des Europäischen Aktionsrahmens für das Kulturerbe und wird aus dem Programm Kreatives Europa kofinanziert. Durchgeführt wird es im Rahmen des OECD-Programms für lokale Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung. Das Ziel des Projekts besteht darin, Städten und Regionen Fakten und Leitlinien in Bezug auf die Frage an die Hand zu geben, wie sie den wirtschaftlichen und sozialen Wert des Kulturerbes maximieren und das Entstehen der Kreativwirtschaft unterstützen können.
Zur Messung der sozioökonomischen Auswirkungen des Kulturerbes auf territorialer Ebene werden derzeit mehrere spezifische Initiativen durchgeführt. Diese sind Teil des Programms ESPON 2020, das auf die Unterstützung und Förderung einer europäischen territorialen Dimension in Entwicklung und Zusammenarbeit durch Evidenz, Wissenstransfer und politische Lernprozesse abzielt.
Im Jahr 2018/2019 wurde eine gezielte Analyse zum Thema „Das materielle Kulturerbe als strategische territoriale Entwicklungsressource“ durchgeführt, während 2020 angewandte Forschungsarbeiten „Das Kulturerbe als Quelle für gesellschaftliches Wohlbefinden in europäischen Regionen“ — gestartet wurde.